Ich weiß nicht mehr genau, was mich dazu bewegt hat, an einem Januar Tag im Jahr 2016 ein Probetraining zu besuchen. Der Muskelkater, den ich danach hatte, wird in meiner Liste „Best of Muskelkater ever“ eingehen. Aber es war mit mir geschehen: ich habe in meiner Lebensmitte eine neue Leidenschaft entdeckt: Taekwondo. Es ist eine Sucht, ich mache alles, um 4-5 Mal in der Woche es irgendwie ins Training zu schaffen, und ich muss mich manchmal beherrschen, nicht hin zu gehen (wenn ich zum Beispiel körperlich nicht fit bin). Es ist einfach grandios zu sehen, was möglich ist: da sind die über 70-jährigen 4. Dan Träger, deren Bewegungen langsam aber so schön und präzise sind, als ob sie in der Luft gemalt wären. Da sind zierliche Frauen, die mehrere Bretter übereinander mit einem einzigen Hand- oder Fußtritt durchbrechen. Da sind die Jungen, die sich wie Blitze bewegen, dass es schwierig wird, sie mit dem bloßen Auge zu verfolgen, und so durch die Luft springen, als ob die Schwerkraft für sie nicht gelten würde. Dann gibt es unendlich geduldige Meisterinnen und Meistern, die immer wieder mit uns üben, nette freundliche Menschen und wunderschöne Reisen.
Taekwondo lehrt mich nochmal Demut (laut Beschreibung in Wikipedia ist das die „Tugend, die aus dem Bewusstsein unendlichen Zurückbleibens hinter der erstrebten Vollkommenheit hervorgehen kann“- wie zutreffend!). Taekwondo verlangt sehr viel Disziplin und Frusttoleranz. Habe schon einiges an Tränen deswegen vergossen, und viel mehr Schweiß…Es klappt einfach nicht auf Anhieb, jede Bewegung wird 1000 mal geübt, bis es sitzt (und ich muss das manchmal 1500 Mal, manchmal 2000 Mal üben). Das Gefühl, wenn es dann klappt, wenn ein Brett durch ist, wenn der nächste Gurt umgebunden wird, ist mit fast nichts zu vergleichen (vielleicht mit Wandern am Fjord bei einem langen Wasserfall, aber das ist eine andere Geschichte).
Taekwondo ist wie fliegen, nur besser, weil es auch ohne Flügel möglich ist.