Am Caldonazzosee

Es gibt diese Orte, wo einfach alles so ist, wie man es sich vorstellt. Ein kleiner Ort in Norditalien (im Valsugana), mit alten Häusern, vielen Blumen, einer Pizzeria und einem Albergo (Gasthaus), drum herum grüne Hügel, Apfelbäume und Berge.

Noch dazu liegt Caldonazzo an dem schönen Caldonazzo See, nicht so groß wie der Gardasee und bei weitem nicht so touristisch, dafür umso schöner. Caldonazzo kann  man mit dem Zug erreichen und hier in einem kleinem Gasthaus übernachten, oder sogar in den Unterkünften einer sozialen Organisation -in der im Sommer viele Kinder ihre Ferien verbringen, im Frühjahr und Herbst kann man hier eine Ferienwohnung  mieten und das Geld kommt dem sozialen Zweck zu gute. Die Pizzeria in Ort serviert auch eine vegane Pizza (Marinara) und auf Wunsch Thunfischsalat ohne Thunfisch. Im Unterschied zum Gardasee, wo die Hauptsprache Deutsch ist, spricht man hier italienisch und zwar ein sehr schönes, für mich verständliches.

Wir wollen den Tag  mit einer kleinen Wanderung beginnen. Ich habe noch etwas Muskelkater von der Wanderung am Gardasee (dort sind wir auch zu einem kleinen Spaziergang aufgebrochen und durch diverse Schluchten und vorbei an Wasserfällen gewandert, teilweise sehr steil).

Es ist ein wunderschöner Tag mit wenigen Wölkchen am Himmel aber es hat sehr viel geregnet in der Region in diesem Jahr. Nach etwa einer Stunde geht es nicht mehr weiter: der Weg ist gesperrt und auch wenn wir durch ein Loch im Zaun schlüpfen könnten, macht es wenig Sinn weiter zu gehen, der Hang ist durch den vielen Regen abgerutscht.

 

Wir drehen um und da wir schon hier sind, das Lokal an der Pineta aber erst um 17 Uhr öffnet, wollen wir ein Stück Richtung Monte Cimone wandern. Nicht die ganze Strecke, die ist lang und sehr steil, jedoch so lange wie es uns Spaß macht. Los geht es zuerst in Richtung Tamazol. Der Anstieg ist am Anfang gar nicht so schwierig, der Pfad schlängelt sich in Serpentinen durch den Wald, später wird es  immer steiler und steiniger. Teilweise ziehen wir uns an einem Stahlseil hoch, kurz danach geht es auf einem schmalen Grat, links und rechts der Abgrund. Die Aussicht ist wunderschön.

 

 

Am Tamazol ist der Weg wieder breit und hat nur noch eine leichte Steigung. Durch hohes Gras und durch den Wald geht es nach oben. An einer Wegkreuzung stehen wir vor der Entscheidung, wieder nach unten zu gehen oder weiter auf den Berg hinauf. Es ist nicht mal 14 Uhr und die Kneipe macht erst um 17 Uhr auf, daher bin ich sehr dafür, dass wir noch ein Stück gehen. Ich lasse meinen Partner entscheiden und auch vorangehen. Ich bin bereit, jederzeit umzudrehen, falls er es möchte. Dass ich auf diesem Berg rauf komme stelle ich gar nicht in Frage, ich habe viel Durchhaltevermögen und das muss ich weder mir noch sonst jemanden beweisen. Aber an meiner Teamfähigkeit muss ich noch arbeiten…..  Er entscheidet, weiter zu gehen. Der Weg führt nochmals steiler durch den Wald und ich schwitze. Bei der nächsten Kreuzung machen wir noch eine Pause und mein Partner sagt, es wäre nun eh egal – wir gehen weiter. So stehen wir eine halbe Stunde später auf dem Monte Cimone und blicken auf den See und den Ort ins Tal hinab, von top of the world… Unterwegs begegnet uns fast niemand. Das beweist nochmals, was ich schon weiß: Ruhe und Einsamkeit muss man sich mit Schweiß und Muskelkater verdienen. Wobei Ruhe relativ ist: wir hören die ganze Zeit das Geräusch von Motorrädern, die wie überdimensionierte laute Insekten auf der Kaiserjägerstraße hoch oder ins Tal hinab fahren.

Der Weg zurück auf dem Panoramaweg ist abwechslungsreich, über Holzbrücken und Treppen mit Blick auf dem blauen See.

Kurz nach halb sechs kommen wir an der Pineta an. Die Kneipe hat nun geöffnet, jedoch gibt eine Hochzeit mit geschlossener Gesellschaft. Das ist dann auch nicht schlimm. Ich glaube, mein Partner und ich haben beide an diesem Tag unsere Komfortzone verlassen und etwas gelernt: er hat sich bis auf dem Gipfel durchgekämpft und ich habe ein Stück weit Gelassenheit und Teamfähigkeit trainiert. Die Schlussfolgerung des Tages ist: mag sein, dass manche Wege nicht begehbar sind, auch wenn sie zuerst einfach erscheinen,  und man daher über einen steilen, steinigen Weg klettern muss. Aber am Ende steht man oben auf dem Bergesgipfel und wird mit einer wunderbaren Aussicht belohnt.

Am nächsten Tag, einem Sonntag, wandern wir im Tal zum Levico See und weiter nach Tenna, durch verschlafene Dörfer etwas ziel- und planlos.

Wir wollen auf einer Bank Rast machen bevor wir umkehren aber die Bank steht in der Sonne und es ist zu heiß. Daher schlage ich vor, weiter zu gehen auf dem sehr einsamen Weg.

 

Unsere Überraschung kann nicht größer sein, als wir hinter der nächsten Kurve bei der Chiesetta (= kleine Kapelle) San Valentin in eine Feier rein platzen. Die ganze Dorfbevölkerung sitzt auf Holzbänken, trinkt Wein und Kaffee und isst Polenta, Sauerkraut und Wurst (nicht vegetarisch). Die Kinder ziehen an einem Seil und bringen die Glocke der Chiesetta zu läuten.

Mit dem kleinen Bicchiere Rotwein kommt meine Seele in meinen Körper zurück. Und da ich das ganze Wochenende in philosophischer Laune bin, muss ich sinnieren, dass man nicht immer weiß, was sich hinter der nächsten Kurve versteckt, aber dass es sich manchmal lohnt, weiter zu gehen und es sich anzuschauen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert