Der Fluch Datenschutz-Grundverordnung

Am vergangenen Sonntag wollte ich meine zwei Blogs Datenschutzkonform umstellen, die neue DSGVO ist ab dem 25.05 gültig. Seit drei Monaten habe ich sie. Eins davon mit veganen Kochrezepten und diesen hier. Ich schreibe gerne Geschichten und Reiseberichte und poste gerne einige selbstgemachte Fotos dazu. Keine Werbung, kein Verkauf, nur einige wenige Follower (die ich fast alle persönlich kenne) und auch ab und zu der eine oder andere Kommentar.

Ich bin also am Sonntag da gesessen und dachte, mich trifft der Schlag. Es ist keine Aufgabe, die man so an einem Tag erledigt. Ich dachte, ich würde ein wenig in einem Pool schwimmen und nun bin ich mitten im Atlantik. Es ist eine Arbeit von Monaten und braucht sehr viel Wissen. Zum einen juristisches Wissen, um zu erfassen, was überhaupt zu tun ist: Verfahrensverzeichnis, Datenschutzverträge, neue Datenschutzerklärung, um nur einen kleinen Teil zu erwähnen. Dann technisches Wissen: Was verwende ich überhaupt, was datenschutzrelevant sein kann? Wie werden sie wo installiert? Ein normaler Blog hat bis zu 40-50 Plugins, also kleine Programme, die helfen, den Blog leichter und schöner zu gestalten, zum Beispiel für eine schönere Schrift oder Smileys, ein Antispam Dienst (ich hatte 7, jetzt nur noch 3). Wie verschlüssele ich überhaupt meinen Blog? Wie bekomme ich das Opt-in Kästchen unter der Kommentarfunktion?

Nicht zuletzt muss man das Verfahrensverzeichnis erstellen, eine Risikoabschätzung machen, und alles dokumentieren. Ich möchte meine Blogs nicht aufgeben, aber ich sehe absolut keine Möglichkeit, dass sie bis Freitag den DSGVO erfüllen. Ich fühle mich auch im Stich gelassen, zum Beispiel von der Politik, die keinen Unterschied zwischen meinem Blog und einem Großunternehmen mit Millionen Datensätzen von Kunden macht. Ich fühle mich als ob ich mein Fahrrad mit Euro 7 Diesel umrüsten müsste. Von dem Webspace Anbieter dieses Blogs (ein großer, gar nicht mal so günstig, der mit seinem Kundenservice wirbt). Er bietet derzeit nicht die Möglichkeit, die Seite zu verschlüsseln. Erst ab Ende Juni ginge das, antwortet er auf meine Anfrage. Die Rückfrage, wie er sich das überhaupt vorstellt, dass ich meinen Blog bis dahin betreibe, lässt er bislang unbeantwortet. Auch die Frage nach dem Datenschutzvertrag. Ich kann natürlich zu einem anderen Anbieter, was mich viel Zeit kostet und vermutlich auch Geld. Der Kochblog ist etwas weiter, aber bei Weitem nicht dort, wo er sein sollte. Also bin ich ab Freitag eine Verbrecherin, wie Millionen andere Menschen in diesem Land, die Blogs schreiben, kleine Online Shops oder Arztpraxen haben und kein Budget und Zeit für so ein Monster. Meine Friseurin, die mir jährlich zum Geburtstag gratuliert, und meine Haarfarbe im Computer gespeichert hat, gehört vermutlich auch dazu. Die Kosmetikerin, die Inhaberin eines Hexenladens, der Züchter für kleine Nagetiere haben alles eins gemeinsam: anstatt sich darum zu kümmern, was sie gerne und gut machen, schlagen sich durch Foren und Paragraphen. Es dürfen keine Fotos mehr von Menschen erscheinen, ohne dass man die Einwilligung einholt, also es werden keine Fotos mehr von Demos oder belebten Straßen erscheinen. Manche schließen ihre Projekte. Ich habe auch ernsthaft daran gedacht, aber damit ist es nicht getan. Nächste Woche bin ich auf einer Konferenz, und vielleicht bekomme ich die eine oder andere Visitenkarte. Diese kann ich auch sofort in den Müll werfen, weil ohne die explizite Zustimmung darf ich sie nicht in meinem digitalen Adressbuch pflegen (was ist expliziter, als die Visitenkarte auszuhändigen?). Es ist wahrlich kafkaesk.

Gleichzeitig bekomme ich Werbung von Facebook für Hotels in einer Stadt, in der mein Partner reisen wird (und ich bin fassungslos, da wir weder Geräte noch Accounts gemeinsam haben, lediglich die gleiche IP-Adresse), und Google möchte, dass ich den Laden bewerte, in dem ich mein Mittagessen gestern gekauft habe. Amazon macht Gesichtsüberwachung. Wenn die am Freitag damit aufhören, werde ich in den oben erwähnten Hexenladen fahren, dort einen Besen kaufen und ihn einfach auffressen.

Ich bin verdammt wütend. Und ziemlich traurig. Ich werde meine zwei Blogs nicht schließen, aber bis auf weiteres alle Kommunikationsfunktionen einstellen. Damit bin ich noch nicht auf der sicheren Seite, noch lange nicht. Liebe Follower*innen, ihr wisst Bescheid.

2 Antworten auf „Der Fluch Datenschutz-Grundverordnung“

  1. Mir geht’s wie dir. Ich muss auch erst den Provider wechseln, um überhaupt SSL-verschlüsseln zu können. Vor meinem Urlaub hatte ich null Zeit dazu – und hier gehe ich auch lieber Kajak fahren oder lege mich an den Strand, ganz ehrlich…. Ich denke mir, ich bin im Atlantik einer der allerkleinsten Fische und ich hoffe einfach, es findet mich so schnell niemand (über Google sowieso nicht, das habe ich ausgestellt).
    Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das alles so durchsetzbar ist… warten wir mal ab, bei einer Tasse Tee… 😉

    1. Dein Wort in Ohr von wen auch immer. Ich habe noch einiges entdeckt 🙁
      Alle Kommunikationsfunktionen gehen nun offline, bis auf Weiteres, und damit ist dies ein Privatblog. Tasse Tee ist gut, Schnaps noch besser…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert