Wenn Norwegen nur aus Oslo bestehen würde, würde sich auch lohnen, sich in den Flieger zu setzen und hierher zu kommen. Schon der Flug über ein Land, das grün blau von oben leuchtet ist wunderschön, wenn man Glück hat und einen Fensterplatz ergattert.
Der Schnellzug bringt uns in 20 Minuten von Flughafen Gardemoen in die Stadt. Ich kann mir auch diesmal nicht verkneifen, an die S-Bahn München zu denken, und meine Gedanken dabei sind nicht freundlich.
Mir gefällt hier auch die kühle Luft, es sind etwa 10 Grad weniger als zu Hause. Und während wir unsere Koffer zu unserem Hotel schieben, fallen einige Tropfen Regen.
Am Abend regnet es noch ab und zu, während wir auf der Kai der Aker Brygge spazieren.
Menschen tanzen zu Swing Musik. Die Architektur ist unglaublich, viel Holz, Glas und Grün. Hier ist das skandinavische Gesetz von Janteloven (1. Gebot: ” Du sollst nicht glauben, das du was Besonders bist!”) außer Kraft: alles hier ist sehr reich und teuer und wird auch gezeigt.
Der Regenbogen und der Himmel vor und nach dem Regen sind kostenlos und nicht weniger wunderschön.
Am morgen beim Frühstück kommen wir mit Ulla ins Gespräch, 81 und ehemalige Lehrerin. Sie ist der Berliner Hitze entflohen. Sie ist in den früheren Jahren auch durch Lake Distrikt gewandert und wir sprechen über die nordenglische Landschaft und das kühle Klima, das wir beide sehr mögen.
Tagsüber gehen meine Reisebegleiterin und ich getrennte Wege. Sie will in der Stadt bleiben, während ich in die Nordmarka möchte. Oslo ist klein und gleichzeitig riesig. Der kleine Stadtkern ist von 1700 Quadratkilometer an Wald umgeben. Kaum 15 Minuten mit der U-Bahn entfernt gibt es tausende Kilometer Wanderwege und im Winter Loipen und hunderte von Seen. Einige norwegische Krimischriftsteller*innen haben Leichen in der Marka “begraben” oder in den dunklen Seen “versenkt” und ich wie ich das hier sehe, finde das völlig plausibel.
Ich gehe um den kleinen Storvatnet. Darauf wachsen gelbgrüne Wasserlilien und beim Betrachten vom ruhigen und dunklen Wasser glaube ich fest daran, dass dort unten ein Wassergeist lebt, der einen schönen Garten gepflanzt hat.
Ich biege auf einem kleinen Pfad ab und sehe lange Zeit keine Menschenseele. Eine tote Schlange (oder vielleicht nur eine Blindschleiche) bringt mich dazu, schneller zu gehen. Warum ich Angst vor Schlangen habe, werde ich nicht rational verstehen können. Es gibt auf dieser Welt keine einzige, in deren Bauch ich passen würde, geschweige denn hier im Norden.
Wieder an der Straße angekommen, nehme ich einen Bus und komme nach weitere 15 Minuten im Ortsteil Nydalen an. Auf dem Grefsen Friedhof sinniere ich darüber, dass gestorben überall wird, aber in jedem Land die Friedhöfe etwas anders ausschauen. Hier ist fast kein Schmuck und nur eine kleine Fläche mit Blumen.
Am Abend gibt es ein gratis Popkonzert auf dem Radhusplasen. Es spielen viele lokale Musiker*innen und auch mir bekannte wie James TW und Stargate. Ich stelle dabei mit etwas Wehmut fest, dass die Leute immer jünger werden…
Mag sein, dass es schönere und auch viel ältere Städte gibt, aber diese hier ist freundlich, unaufgeregt und sehr bunt.
Menschen aller Altersgruppen, Familien, Paare, aller Nationalitäten, Herkunft, Körperbau, sexueller Orientierung und Kleidung haben hier auf dem Platz Spass bei der Musik.
Die Luft ist kühl und klar und die Sonne scheint ab und zu, ohne zu wärmen. Als ich gegen 23 Uhr Richtung Hotel gehe, ist es hell wie an einem frühen Nachmittag und der Himmel sieht wie gemalt aus.
Am Samstag fahren wir auf die Sprungschanze von Holmenkollen und ich sehe endlich Oslo von oben. Vor einem Jahr konnte ich hier die Hand vor den Augen nicht sehen, so dicht war der Nebel.
Wir wandern noch ein wenig auf Wegen, die im Winter Loipen sind, und auf denen auch norwegische Könige und Königinnen lang laufen. Unterwegs zurück kaufen wir noch norwegische Erdbeeren und ich kann mich nicht erinnern, je bessere gegessen zu haben. Es sind wahrlich die besten der Welt. Der Sommer ist hier kurz aber heftig und die Sonne scheint bis zu 18 Stunden am Tag und das haben diese Erdbeeren gespeichert.
Am Abend gibt es Fußball, Deutschland gewinnt gegen Schweden in der letzten Sekunde zur Freude meiner Begleiterin, die das Spiel sehr leidenschaftlich verfolgt.
Später suchen wir nach Mittsommer Feuer, aber finden keins. Aber der Himmel scheint Feuerrot und reflektiert sich im Fjord. Es ist nach 23 Uhr. Ich entscheide, erst ins Bett zu gehen, wenn es dunkel wird.
Als ich eine Stunde später über den Dach der Oper spaziere, strahlt der Mond groß und gelb aus dem Himmel und aus dem Wasser.