Ich hatte für den heutigen Tag einen Plan, der mit Ausschlafen beginnen sollte. Ein spätes Frühstück und mich anschließend zurück zum Trail fahren zulassen (Buck’s Inn liegt 4,5 km entfernt und die Besitzer holen die Leute dort ab bzw. bringen sie am nächsten Morgen wieder hin). Anschließend war eine sehr gemütliche Wanderung von 17 km mit Pausen und Fotos geplant.
Aber Pläne sind manchmal “Blowing in the Wind”.
Die letzte Fahrt zum Trail war für 8.45h angesetzt (was verständlich ist, die Leute haben auch etwas Besseres zu tun, als Touristen verteilt über den gesamten Tag zu kutschieren). Über Nacht sind die Temperaturen um etwa 15 Grad gesunken, also von 23 auf etwa 8 Grad. Der Regen hat am Morgen aufgehört, aber der Wind bläst extrem stark.
Ich lasse die anderen davon ziehen. Ich habe es nicht eilig (während alle anderen heute länger weiter wandern), außerdem habe ich mich dran gewöhnt, alleine mit meinen Gedanken zu laufen. Still ist es nicht, der Wind ist richtig laut. Endlich kommen auch meine Regenklamotten zum Einsatz, als Windschutz. Der Rucksack wird leicht und ich muss schnell laufen, sonst wird es richtig kalt. An Pausen ist fast nicht zu denken. Meine Hände sind sehr kalt und schmerzen. Handschuhe habe ich nicht eingepackt, daher ziehe ich irgendwann ein paar Socken über die Hände. Man muss improvisieren können 😉
Die Szenerie ist schön, wenn auch heute unter grauen Himmel. Der Wind wird noch stärker, ab und an blitzt die Sonne durch einen kleinen Spalt in den Wolken, nur sehr kurz, wie ein Flackern mit einer Taschenlampe.
Hie und da sind die Vögel von gestern zu hören. Und ich weiß nun auch, was für eine Art sie sind 😆 Rätsel: was lebt im Moor sieht wie ein Huhn aus? Eben.
Ich frage mich die ganze Zeit, wie sie es machen, nicht weggeblasen zu werden. Ich habe es schwer, trotz Rucksack, mich auf den Beinen zu bleiben.
Kurz nach Mittag komme ich gut durchgefroren zum Lion Inn, einer der höchsten Pubs Englands (der höchste ist übrigens auch vom C2C gut erreichbar, liegt in der Nähe von Keld). Lion Inn hat ein Kaminfeuer und sieht innen toll aus. Könnte als Kulisse für eine Szene in “Harry Potter” dienen.
Die Speisekarte ist ein Traum und ich lasse es mir nicht nehmen, den Smoked Lentils Burger mit Chips zu bestellen. Ich muss mich auch gegen den Wind draußen wappnen… Und der schmeckt tatsächlich so gut, wie er aussieht.
Ich sitze noch eine Weile dort und schreibe an meinen Blog bevor ich die 1,5 Meilen (3 km) steil bergab zu meiner Unterkunft in Angriff nehme (Lion Inn war ausgebucht).
Am Nachmittag steige ich den Berg hinab zur Dales Head Farm. Diese liegt fast am Ende der Welt, tief im Tal.
Maggie hat einen Shepherd’s Hut zum Übernachtungsort umfunktioniert und sehr liebevoll eingerichtet, in Pastell Lila. Ein Shepard’s Hut ist eine Art Wohnwagen, in dem früher Schäfer und Wanderarbeiter übernachteten.
Maggie hat auch einen schönen Tea Garden. Leider werde ich ihre Kuchen nicht probieren ich kann nach dem Burger heute einfach nie wieder etwas essen.
Der Hund des Hauses mag mich und schleckt mir über das Gesicht und Hände. Auf der Wiese daneben hüpfen unzählige kleine Lämmchen.
Ich trinke meinen Tee, aus dem kleinen Kohleofen strömt wohlige Wärme. In der einsetzenden Dämmerung draußen sind harmonische Vogelstimmen zu hören.
Nachtrag am morgen danach: all diese Romantik endet sehr plötzlich, wenn man realisiert, wie weit die 50 m bis zum Klo in einer kalten windigen Nacht sein kann!