Ich habe mit über 27 Fahrradfahren gelernt. Mein jetziges Fahrrad war nicht mein erstes, davor hatte ich ein anderes, neues, das aber so schlecht war, dass schon bei der zweiten Reise die Pedale abgefallen ist.
Mein jetziges Fahrrad stand in einer Ecke bei den gebrauchten Rädern, im Radl Bauer damals vor etwa 12-13 Jahren. Es ist ein ganz unscheinbares Rad, schwarz, 21 Gänge und Bremsen vorne und hinten, so wie ich damit gut umgehen kann, sehr günstig. Ich habe es sofort mitgenommen.
Mein Fahrrad hat mich seitdem etwa 20.000 Kilometer begleitet, sowohl durch die Stadt als auch im Umland und auf Fernwegen. Mein Fahrrad und ich sind in jeder Jahreszeit auf dem Wasserweg durch das wild-romantischen Mangfalltal gerollt, das Wasser links oder rechts, die Bäume grün, gelb oder kahl. Es hat mich durch verschlafene bayerische Dörfer getragen, durch die Pfalz, auf Rügen und sonst wo. Ich habe es bergauf auf Schotterwege geschoben. Es hat mich um die 60 km um den Starnberger See getragen an einem Tag voller Enttäuschung. Doch am Ende des Tages war wieder alles gut. Mein Fahrrad hat voriges Jahr 1.100 Kilometer auf dem Donau Radweg zurückgelegt, durch 3 Länder, vorbei an Schlösser und durch kleine und größere Städte. Ich musste öfters selbstzufrieden grinsen, als mein Fahrrad und ich die ganzen Elektroräder überholt haben, zwar bergab oder geradeaus, aber was soll‘s. Bei strömendem Regen und heißem Sonnenschein, zu zweit oder mit anderen Menschen und Rädern haben mein Fahrrad und ich viel erlebt.
Mein Fahrrad weiß es natürlich nicht, aber ich wollte auch kurzzeitig fremdgehen. Ich habe während einer Kreuzfahrt auf der Aida zwei Fahrradtouren mit Fremdrädern gemacht: über die Steilküste von der Normandie hat mich das fremde Rad fast von alleine getragen, und auch in Rotterdam war es erstaunlich, und sie wiegte fast nichts. Ich habe mir vorgestellt, so ein Rad müsste ich nicht mehr bergauf schieben, ich wäre viel schneller unterwegs zur Arbeit.
Der Gedanke war also da, und dann habe ich vor meinem inneren Auge gesehen, was das bedeuten würde: ich würde nie mein Rad tagsüber irgendwo in der Stadt angekettet lassen können, ohne zu befürchten, dass es abends nicht mehr da ist. Geschweige denn, nachts. Ich würde keine Schotterpisten mehr abfahren können, ohne Angst zu haben, dass etwas kaputt geht, was kostspielig zu ersetzen wäre. Und am Ende geht es nicht um das Objekt, sondern um den Fahrtwind, um die Sonne, den Regen, wildes Wasser was links oder rechts fließt, um die Bäume, den Biergarten, und um die Freiheit, die mein Fahrrad und ich gemeinsam erleben und hoffentlich noch einige Tausend Kilometer gemeinsam erleben werden.