Stavanger, mehr als Preikestolen und Kjerag

Eine großartige kleine Stadt

Es gibt ältere, größere und architektonisch viel bedeutendere Städte als in Norwegen. Aber es lohnt sich, die eine oder andere norwegische Stadt näher anzuschauen. Fast alle, würde ich sagen. Wenn man mich fragt, welche die schönste Stadt Norwegens ist, muss ich lange überlegen. Die meisten davon (zumindest die, die ich gesehen habe) sind klein und hübsch, manche sogar sehr.  Stavanger im Süden (wie auch Tromsø im Norden) ist eine gute Kandidatin für den Titel, finde ich. Stavanger hat den Charme der norwegischen Südküste: weiße und farbige Häuser, viele Blumen, ein süßer kleiner Hafen. Stavanger ist aber auch das Tor zu einem der schönsten Fjorde Norwegens, dem Lysefjord.

Stavanger ist weniger berühmt als ihre größeren Schwestern Oslo und Bergen. Mit ein wenig mehr als 130.000 Einwohnern ist sie auch nur die viertgrößte Stadt des Landes. Diejenigen, die schon mal von der Stadt gehört haben, fragen auch verwundert: “Ist das nicht eine Ölstadt”? Die Antwort ist ein ganz klares jein. Stavanger ist die reichste Stadt Norwegens und ihr Reichtum basiert zum großen Teil auf Öl. Aber das Öl und der Reichtum sind hier völlig unauffällig und die Stadt hat ihre freundliche Gelassenheit behalten. Schon der Landeanflug über die Stadt ist atemberaubend schön. Wir sehen den Lysefjord und hunderte von kleineren und größeren dunkelblau schimmernden Seen. Der Flughafen Sola ist keine 20 Minuten von der Stadt entfernt und auf den Straßen ist wenig Verkehr. Auch wenn die Stadt klein ist, ist sie eine der farbenfrohesten Norwegens und hat viel zu bieten.

Es gibt viel zu sehen…

Hier einige der Sehenswürdigkeiten in Stavanger, ohne den geringsten Anspruch auf Vollständigkeit.

1. Gamle Stavanger, das alte Stavanger mit historischen weißen Häusern, blauen Türrahmen und roten Blumen.

@jessy_ann

2. In einem dieser Häuser befindet sich das Konservendosenmuseum, das sich mit der Geschichte der norwegischen Konservendosen-Industrie in der Zeit zwischen 1880 und 1925 befasst.

3. Ovre Holmegate, die farbige Straße mit Shoppingmöglichkeiten und Kneipen für den Abend. Ich kann beides empfehlen, allerdings sollte man sich im Klaren sein, was Alkohol in Norwegen so kostet. Da ist das Shopping unter Umständen günstiger.

4. Der Hafen mit vielen kleineren und größeren Booten und Straßencafés, wo am Wochenende der Bär tobt. Schön finde ich vor allem, dass die Altersgruppen nicht „unter sich“ sind: in der Schlange vor dem Lokal stehen sowohl 20jährige, Leute in meinem Alter, wie auch einige ältere Semester.

5. Im Hafen befindet sich auch das kleine Schifffahrtsmuseum, das nicht nur nett zu besuchen ist, sondern auch einen Museumsladen hat, in dem ich jedes Mal ein schönes Kleid oder ein anderes Stück im maritimen Stil gefunden habe.

6. Über StreetArt in Stavanger könnte ich einen ganzen Beitrag schreiben. Jedes Jahr kommen Künstler*innen zum StreetArt Festival in die Stadt und die entstandenen Werke kann man überall bewundern. Im digitalisierten Norwegen ist das auch leicht: die Wandgemälde und anderen Arbeiten sind alle in einer digitalen Karte markiert, die mit Google Maps kompatibel ist. Nur viel Ausdauer braucht es, es ist eine gute Strecke zu bewältigen, wenn man alle sehen will.

7. Im Stadtzentrum steht die Domkirche von 1150, die älteste Bischofskirche Norwegens und seit dem 13. Jahrhundert praktisch unverändert.

8. Ein wenig außerhalb findet man die Svert i Fjell, die drei Schwerter im Fels. Sie erinnern an die Schlacht am Hafrsfjord im Jahr 872. Danach wurde Harald Schönhaar der erste König Norwegens, somit sind die Schwerter ein Symbol für die nationale Vereinigung Norwegens (einige der Besiegten, unter anderem Ingolfur Arnarson, segelten westwärts, um vor den Repressalien des Königs zu fliehen. 874 landeten sie dort, wo heute Reykjavik liegt. So begann die „Landnahmezeit“ Islands – aber dazu in einem anderen Beitrag mehr).

9. Das Olje Museum, Ölmuseum: ja, das liebe Öl. Wie auch immer man darüber denkt, es gibt viel zu sehen und zu erfahren in diesem Museum. Auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Öl und seinen Auswirkungen auf die Umwelt fehlt hier nicht.

10. Das Kunstmuseum soll auch toll sein. Es befindet sich mitten in einem Park und hat ein Café mit leckerem Karottenkuchen. Weiter als bis zu dem Kuchen habe ich es nicht geschafft, da diesmal die Zeit nicht mehr gereicht hat. Sollte ich je einen weiteren Grund brauchen, nach Stavanger zurück zu kehren, wäre das einer mehr, neben den 99, die ich bereits habe…

Atemberaubende Natur um Stavanger

Stavanger ist klein aber großartig. Und es gibt meines Wissens nach keine norwegische Stadt, die nicht von atemberaubender Natur umgeben wäre. Die “Great Outdoors” sind das, was Menschen wie mich dazu bewegt, immer wieder nach Norwegen zu reisen und dieses wunderschöne Land zwischen den Reisen bitter zu vermissen. Die Umgebung von Stavanger ist nicht nur von fantastischer Schönheit, sondern auch unglaublich abwechslungsreich, als ob man jeden Tag in einem anderen Land ist.

Hier einige der schönsten Spots rund um Stavanger:

1. Die Küste: Sola Beach, der weiße Sandstrand an der Nordsee. Wunderschön anzusehen, kann er es optisch mit jedem Strand in der Südsee aufnehmen. Die Temperaturen sind allerdings nicht immer so freundlich wie im Süden. Wenn es das Wetter erlaubt, kann man dort trotzdem baden. 

2. Norwegen hat ungefähr 150.000 (!) Inseln. Einige davon in der Nordsee sind von Stavanger aus schnell zu erreichen (auch mit dem Bus) und bieten eine tolle Aussicht über das Meer. Auf der Fjoloy spazieren wir um den Leuchtturm (Fjoloy Fyr), streicheln zahme Schafe und sind zu spät für den Besuch des Klosters Utstein. Das nächste Mal, vielleicht…

3. Die Wanderung auf den Dalsnuten ist leicht und der Ausblick über Stavanger, Sandnes, Jæren und Ryfylke soll toll sein. Heute sieht man davon leider nichts. Aber das macht uns nicht viel aus, wunderbar ist es allemal.

4. Eine Stunde Fahrt von Stavanger, in der Nähe des kleinen Frafjords, befindet sich Månafossen, der größte Wasserfall der Region Rogaland und der neuntgrößte Norwegens. Ich empfehle den Wasserfall nicht nur, weil er fast meinen Namen trägt (Måna spricht man „Mona“, Mån heißt „Mond“), sondern weil er einfach toll ist. Auch bei Regen lohnt es sich, durch das Tal bis zu der Mån Gard zu laufen, nach Möglichkeiten auch weiter.

5. Der Fjord: es gibt viele schöne Fjorde in Norwegen aber einer der schönsten ist der Lysefjord, Fjord des Lichtes. Eher klein im Vergleich zum Hardangerfjord mit seinen 180 km oder Sognefjord mit 240 km, ist dieser Fjord mit 40 km nichts desto trotz von atemberaubender Schönheit. Eine Fahrt entlang des Fjords mit der Fähre ist nicht unbedingt günstig, aber auf jeden Fall sehr lohnenswert (es gibt auch die Möglichkeit, mit der Ferjenkort – Link- zu sparen. Dafür sollte man die Karte im Sommer deutlich früher bestellen, als ich es gemacht habe…).

6. Die Flørlitappene, die längste Holztreppe der Welt, hat 4444 Stufen. Nicht nur die Treppe ist unglaublich, sondern der ganze Ort. Nach Florli kommt man nur per Wasser oder zu Fuß (tagelang) über den Fjord. Es ist ein Dorf ohne Straßen, wo früher die Mitarbeiter des Elektrizitätswerks und ihre Familien gelebt haben. Es war ein schweres Leben, abgeschnitten von der Welt mit harten Wintern. Heute werden die Häuser renoviert und als Übernachtungsmöglichkeiten für Tourist*innen angeboten. Aber zurück zu der Treppe: sie wurde damals zur Wartung der Wasser-Pipeline gebaut, die vom Fjell zum Fjord führt. Wenn man die Stufen bewältigt hat (und das ist wirklich nicht ohne viel Schweiß möglich), kommt man oben in einer Landschaft an, wie sie nicht schöner sein kann. Glänzend dunkelblaue Trinkwasserseen, viel Grün und viel Einsamkeit. Norwegen at its best.

7. Preikestolen und Umgebung: Ein Instagram Hotspot Norwegens ist Preikestolen, der Prediger Stuhl, 604 Meter über dem Fjord. Eine Felsplattform (25×25 Meter) mit weitem Blick über den Lysefjord und angrenzende Berge. Die Wanderung dorthin ist einigermaßen anstrengend, aber am anstrengendsten fand ich jedes Mal die Menschenmassen, zumal viele unzureichende Ausrüstung und/oder Kondition für diese Strecke mitbringen. Aber wir sind hier in Norwegen… das heißt, es gibt unbekanntere Pfade und Strecken ganz in der Nähe, wo absolut niemand ist und der Ausblick einfach fantastisch. Beim Abstieg nehme ich die Abzweigung zu dem 714 Meter hohen Moslifjellet und bereue das keine Sekunde. Als Belohnung bekomme ich einen exklusiven Regenbogen vor die Linse. So viel Schönheit ist manchmal schwer zu ertragen.

Achtung: man sollte nicht einfach so jede Abzweigung nehmen. Eine (digitale) Karte ist wichtig, zumal diese einsameren Wege nicht immer gut markiert sind.

8. Lysebotn mit Kjerag und Jenafjell. Ich habe langsam auch genug von Begriffen wie „atemberaubend“, „wunderschön“ und ähnliches, aber es gibt scheinbar nicht genug Wörter in der deutschen Sprache, die die Landschaft zutreffend beschreiben könnten. Aber der Reihe nach… Lysebotn ist eine kleine Ortschaft am „A…“ des Fjords, so wie der Name sagt. Hierher kommt man nur per Fähre oder abenteuerlich auf einer Serpentinenstraße mit 22 Haarnadelkurven. Dann erspäht man kleine weiße Holzhäuser in einem Tal, wo die Sonne fast bis Mitternacht scheint (wenn sie scheint).

Im Winter erscheint sie dafür fünf Monate lang gar nicht (auch wenn sie scheinen würde…). Lysebotn ist Startpunkt einer der spektakulärsten Wanderungen Norwegens, und zwar zum Kjerag, dem eingeklemmten Stein, 1000 Meter über dem Fjord. Bei schlechtem Wetter ist die Wanderung nicht ungefährlich und sehr unbequem. Hier habe ich zum ersten Mal im Leben gespürt, wie es sich anfühlt, wenn der Wind einen fast wegträgt.

Die wirklich unbekannte und nicht weniger spektakuläre Wanderung ist die zum Jenafjell. Etwas weniger anstrengend, dafür absolut einsam, erreicht man in etwa zwei Stunden (eine Richtung) den Gipfel des 819 Meter hohen Berges.

Und die Sicht von dort ist so schön, dass mir die Worte fehlen…

Willst du mit mir verreisen? 2020 geht es wieder nach Stavanger in Südnorwegen, aber nicht nur…Schau auf meine Reise-Webseite.

Über die Nordseestraße nach Stavanger und Preikestollen

Wir holen das Auto ab und fahren entlang der Südküste, von einem weißen Küstenstädtchen zu dem nächsten. Irgendwie sind sie alle hübsch und könnten genauso gut in Italien oder Kroatien liegen. 
In Kristiansand übernachten wir in einem privaten Appartement und beim Einchecken versuche ich, mich auf Norwegisch zu verständigen. Alles nicht so einfach. Die Gastgeberin will unbedingt Deutsch lernen (ihr Deutsch ist deutlich besser als mein Norwegisch…) und so führen wir einen fröhlichen Dialog in drei Sprachen. Später gibt es am Hafen noch Linsencurry und ich bin geneigt, meine Meinung zum norwegischen Essen zu revidieren.