C2C Tag 3: Von Reeth nach Richmond: Steinwände, Wiesen und ein Schloss

Die heutige Etappe soll unspektakulär und wenig anstrengend sein, sagt der Reiseführer. Ich finde das am Abend davor sehr gut, vor allem es ist Regen angekündigt. Am morgen starte ich unausgeschlafen (gestern Nacht hat es eine Geburtstagsparty im Pub gegeben und die Wände aus dem 18. Jahrhundert sind sehr dünn). Das englische Frühstück in veganer Variante (also ohne Ei und Bacon) ist auch gewöhnungsbedürftig. 

Ich gehe los, meine Regenhose an und stelle fest, es ist keine Spur von Regen zu sehen. Im Gegenteil, ich muss bald meine Sonnencreme auspacken. Es geht zunächst wieder am Fluss Swale entlang.
Dann ein wenig durch den Wald, links und rechts Bärlauch.
Die Abtei bei Marrick, nach ca. 4 km, sieht richtig malerisch aus.
Dann zieht der Weg fast den ganzen Tag über hellgrüne Weiden und Wiesen.
Sehr oft muss ich über eine Steinwand klettern. Es gibt über 200.000 km an “dry-stone Walls” in England, vor allem hier im Norden. Manche von ihnen stehen hier seit dem 18. Jahrhundert, auch wenn sie ohne Mörtel gebaut wurden.
Als ich mich durch den gefühlt 50. schmale Spalt zwänge, freue ich mich, dass ich nicht zu viel gegessen habe 😉
 
Es geht direkt über die Weide, und ich sehe heute unzählige Schafe und mehrere Kühe und einige Pferde. Alle Tiere scheinen vor kurzem Jungen bekommen zu haben.
Und als ich sie so sehe, muss ich drüber nachdenken, was wäre wenn alle Menschen Veganer*innen würden. Gäbe es noch Schafe und Kühe und Pferde? Ich weiß es nicht, und wir werden es auch nicht erfahren, weil das nicht passieren wird. Ich finde, es ist schön, dass es sie gibt, und werde mich weiterhin freuen, sie nur anzusehen.
Heute sind sehr viele Menschen unterwegs, meistens in Paaren oder Gruppen, und ich komme mit niemanden ins Gespräch.
5 km vor Richmond passiert etwas mit meinem Handy in der Hosentasche und die Karte ist weg. Der Weg ist aber sehr gut markiert (für hiesige Verhältnisse). Das mit wenig anstrengend kann ich nicht bestätigen (es sind immerhin 530 hm auf 18 km). 3 km vor Richmond zieht sich der Weg wie Kaugummi. Auf dem letzten Kilometer treffe ich wieder Kathleen und wir entschieden, als allererstes in Richmond Kuchen essen zu gehen. In Mocha am Marktplatz (Café mit veganen “Options”)  gibt es einen Schokokuchen und Latte mit Mandelmilch.
Eine kräftige, etwas ältere Engländerin am Nachbartisch kommt mit uns ins Gespräch und gleich sprechen wir über den Brexit. Sie gibt zu, dafür abgestimmt zu haben, aber nun bedauert sie es sehr und sagt mehrfach kopfschüttelnd: ” It’s a mess.”
 Ich checke ins Unicorn ein und schaue mir dann die Stadt an. Richmond ist eine englische Kleinstadt wie sie im Bilderbuch steht. Uralte Gebäude, ein georgianisches Theater, ein Schloss und eine Kirche aus dem 11. Jahrhundert, so wie man sich allgemein England vorstellt.
Ich sitze auf einer Bank am Schlossmauer und schaue lange nach unten zum Fluss.
Und während ich später  im französischen Lokal auf Auberginen mit Ratatouille warte, muss ich drüber nachdenken, dass all dies seit hunderten von Jahren hier steht und noch in hunderten von Jahren noch hier stehen wird. Und ich fühle mich sehr dankbar, dass ich heute hier sein darf.

 

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