Am morgen des letzten Tages scheint wieder die Sonne. Judith bereitet mir Porridge mit Obst zum Frühstück.
Ich ziehe kurz nach 9 los, an Feldern und Wiesen vorbei, nach Littlebeck und dann durch den Littlebeck Wood. Es ist ein Zauberwald, mit einem 20 Meter Wasserfall, Foss Fall, und einem Waldgeist.
Zuerst sehe ich ihn bei der Abbiegung zum Wassefall. Er spricht mit einer älteren Frau, die auch auf dem C2C läuft und die ich immer wieder gesehen habe. Nach dem Wasserfall komme ich an einer unübersichtlichen Markierung an und da steht er schon wieder, mit einer Karte in der Hand, bereit mir den richtigen Weg zu zeigen.
Er sieht wie ein alter freundlicher Mann so um die 80 aus. Ich glaube, ihn kurz vor Richmond schon mal gesehen zu haben. Bei der nächsten Kreuzung des Wanderwegs mit der Straße steht er schon wieder da und ruft mir laut hinterher, als ich falsch gehe.
Was wäre so ein Tag ohne Moor. Diese letzten Moore haben es auch in sich. Das erste Stück wird gegen Ende sehr ungemütlich. Ich springe über einige Stellen, der Rucksack macht es mir schwer, so weit wie nötig zu springen. Keine 50 Meter von der Straße entfernt geht fast nichts mehr, ich muss durch den Schlamm laufen und versinke, 5 Meter vor Ende, bis über die Knöchel. Mist.
An der nächsten Kreuzung steht schon der Waldgeist und zeigt mir auf seiner Karte einen anderen Weg, der parallel zu den Mooren geht. Ich nehme den Rat gerne entgegen, habe genug von den Mooren. Außerdem wer bin ich, dass ich den Rat eines Waldgeistes ignoriere. Es ist auch ein guter Rat, es ist eine sehr ruhige Straße mit einer wunderbaren Sicht zur Nordsee. Und ich muss nicht auf jeden Schritt aufpassen, kann mich auf die Umgebung konzentrieren. Ich sehe zottelige schwarze Kühe mit breiten weißen “Gürtel” um den Bauch.
Eine Herde schwarzer Schafe. Eins davon ist weiß, und ich frage mich, wie man sich fühlt als weißes Schaf in einer Herde schwarzer Schafe.
Kurz vor High Hawsker treffe ich auf Pat, ein langer dünner Engländer, der seit 12 Tagen von St Bees unterwegs ist. Wir gehen für einige Meilen gemeinsam, aber er ist sehr schnell und ich habe es nicht eilig. Die Sicht der Steilküste, grüne Wiesen rechts und blaue Nordsee links ist atemberaubend.
Und zum ersten Mal habe ich Schwierigkeiten beim Gehen, als ob mein Körper nun genug hätte. Nicht die Beine, sondern der Rücken will nichts mehr tragen. Aber es hilft nix.
Ein Kilometer von Robin Hood’s Bay entfernt sitzt der Waldgeist auf einer Steinwand. Hat nun einen Sonnenhut auf dem Kopf und ein Kreuzworträtsel in der Hand. Er gratuliert mir zum fast erreichten Ziel und ich bitte ihn, ein Foto von mir zu machen.
Kurz vor 3 erreiche ich mein Ziel. Robin Hoods Bay ist ein ehemaliges Schmugglernest mit engen Gassen und unzähligen Touristen. Ich treffe wieder Mark und Dan, die heute auch ihr Ziel erreicht haben.
Am Endpunkt der Strecke steht schon wieder der Waldgeist und auch die alte Frau ist da. Es ist seine Ehefrau. Es stellt sich heraus, dass sie den C2C wandern wollte, und er ihr mit dem Auto nachgefahren ist, um ihr so gut wie möglich zu helfen, auch wenn er nun nicht mehr so lange wandern kann. Und dabei half er auch anderen, mir zum Beispiel 😉
Ich gehe zum Meer und schmeiße mein Steinchen den ich aus St Bees vor 2 Jahren genommen habe.
Und ich schaue auf die blaue fast unendliche Nordsee und wenn ich mein Kopf etwas nach links drehe und meine ganze Fantasie benutze, fange ich an zu glauben, dass ich die Südküste Norwegens sehen kann, mein nächstes Ziel.